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Die Lüge von der Politikverdrossenheit
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frosch
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Beiträge: 218
Registriert seit: Mar 2007
Beitrag #1
Die Lüge von der Politikverdrossenheit
Da auch hier scheinbar gerne politisch diskutiert wird, helfe ich mal mit den folgenden Text zu verbreiten. Wobei die Originalquelle ( http://www.klopfers-web.de ) schon Anzeichen gibt unter der steigenen Last an Aufrufen zusammenzubrechen Lächeln

Christian Schmidt schrieb:Dieser Text ist nicht lustig und sollte von politikverdrossenen Jugendlichen nicht gelesen werden. Zwinkern
Der Text darf (z.B. in Blogs, Schülerzeitungen und Foren) weiter verbreitet werden, solange er nicht verändert wird, ich als Autor namentlich genannt werde und ein Verweis auf Klopfers Web vorhanden ist. Wäre aber schön, wenn ihr es hier in den Kommentaren angeben könntet, wo ihr den Text veröffentlicht habt.



Die Lüge von der Politikverdrossenheit

Der Klageruf von Politikern, Medien und älteren Mitbürgern ist ein Dauerbrenner: „Die Jugend interessiert sich ja nicht für Politik!“ Dieser Stoßseufzer ist wohl eher von Überheblichkeit und Ignoranz motiviert als von ehrlicher Sorge um das Politikverständnis unserer Jugend – das Gerede von der Politikverdrossenheit soll wohl ausdrücken: „Wenn die Jugend sich für Politik interessieren würde, dann wäre sie nicht so oft anderer Meinung – WIR sind ja schließlich viel informierter und haben deswegen die richtige Überzeugung.“

Meine Erfahrung als Webmaster einer vornehmlich von Jugendlichen besuchten Website ist vollkommen anders. Jugendliche sind sehr an Politik interessiert. Sie beobachten aufmerksam, was passiert, und wenn man ihnen die Möglichkeit gibt, ungezwungen Fragen zu stellen, so nehmen sie diese Möglichkeit dankbar an, um politische Sachverhalte, Probleme und Konflikte besser verstehen zu können. Im Vergleich zu Menschen, für die das Berufsleben zu einem alltäglichen Trott geworden ist, besitzen Jugendliche noch eine gesunde Skepsis, und wenngleich diese Skepsis gelegentlich in Verschwörungstheorien ausufert, so ist das Hinterfragen der Motive und Handlungen unserer politischen Elite doch ein Grundpfeiler unserer demokratischen Gesellschaft. Die jugendliche Politikverdrossenheit ist ein Mythos.

Kein Mythos ist aber die jugendliche Verdrossenheit gegenüber Politikern. Und von ihrem Standpunkt aus könnte nichts verständlicher sein als das. Kinder und Jugendliche werden von der Politik gerne als Thema missbraucht, und oft ist der Hinweis auf den Schutz der Kinder ein Mittel, Kritik an umstrittenen politischen Vorhaben zu diskreditieren. Doch kaum ein Politiker macht sich die Mühe, die Kinder und Jugendlichen tatsächlich als Menschen mit eigenen Ansichten, Vorstellungen und Erwartungen an die Zukunft zu sehen. Viel häufiger bekommen Jugendliche den Eindruck, dass ihnen die Politiker nicht über den Weg trauen.

Das konnte man beim Massenmord von Winnenden gut beobachten: Schon am selben Tag flammte die Diskussion über „Killerspiele“ auf, die für Millionen Jugendliche eine harmlose Freizeitbeschäftigung sind, deren Schilderung in der Medienberichterstattung der nichtinformierten Öffentlichkeit aber nur den Eindruck vermitteln konnte, dass diese Computerspiele binnen weniger Wochen aus gesunden, ausgeglichenen Kindern emotional abgestumpfte Killermaschinen machen würden.

Anfang April erschoss ein Sechzigjähriger seine Schwägerin in einem Landshuter Gerichtssaal und tötete sich dann selbst. Hier suchten weder Medien noch die Politik schnelle Antworten im Medienkonsum des Täters. Als aber wenige Tage später eine Familie in Baden-Württemberg erschossen aufgefunden wurde und der 18-jährige Sohn und sein Freund als dringend Tatverdächtige festgenommen wurden, konnte sich N24 den Hinweis nicht verkneifen, dass die Polizei den Computer des Sohnes beschlagnahmt habe und noch nicht bekannt sei, ob Gewaltspiele auf dem Rechner wären. Das war keine Nachricht – jemand gab sich die Mühe zu betonen, etwas nicht zu wissen, aber auf eine Weise, die eine Verbindung zwischen der Tat und Computerspielen implizierte. Mit Journalismus hat das nichts zu tun.

Für Jugendliche ist die Aussage der Medien daher klar: Wenn Erwachsene durchdrehen, ist das eine durch psychische Probleme begründete Tragödie, die sich leider nicht vermeiden ließ. Wenn Jugendliche durchdrehen, dann stehen Computerspiele dahinter, die man verbieten müsste. Die Möglichkeit, dass auch Jugendliche begründeten psychischen Stress erleiden könnten, der labile Personen zu Gewalttaten treiben könnte, wird in der öffentlichen Diskussion gerne von der Debatte um Killerspielverbote überlagert. Jugendliche können sich so nicht ernst genommen fühlen. Dass in Deutschland das schärfste Jugendschutzrecht der Welt gilt, trägt ebenfalls nicht zur Vertrauensbildung bei – anscheinend traut man im Rest der Welt Eltern und ihren Kindern eher zu, mit dem Medienkonsum verantwortungsvoll umzugehen, ohne dass sich der Staat zu sehr einmischt. Jeder Erwachsene in Deutschland müsste sich kopfschüttelnd fragen, wie er es nur ohne die Zensurbemühungen des Staates geschafft hat, gesund die Volljährigkeit zu erleben, wo doch anscheinend überall Gefahren für die zarte Kinderseele lauern.

Wenn man die Politiker fragte, ob sie denn selbst mal die von ihnen so verachteten Killerspiele gespielt hätten, so wurde schnell klar, dass unsere Volksvertreter nur mit zweifelhaften Informationen aus zweiter oder dritter Hand agierten und sich nie dazu herabgelassen haben, tatsächlich einmal anzuschauen, was da eigentlich verboten werden soll. Der bayerische Innenminister konnte nur so bar jeder Sachkenntnis diese Computerspiele mit Kinderpornografie gleichsetzen – womit er die Computerspieler und Hersteller auf eine Stufe mit Pädophilen und Kinderschändern stellte. Bei der jüngeren Generation bis 30 Jahren, die mit Computerspielen aufwuchs, kann man so keine Popularität erlangen; vielmehr verliert man bei diesen Menschen sämtliche politische Glaubwürdigkeit. Dass Schützenvereine auch beleidigt reagieren würden, wenn man ihre Vereinstätigkeit auf eine Stufe mit dem Vergewaltigen von Kindern stellte, liegt auf der Hand – auf die Befindlichkeiten der jungen Menschen nimmt die Politik hingegen offenbar keine Rücksicht. Dass nicht wenige der Politiker und Bedenkenträger selbst in ihrer Jugend gegen das Unverständnis ihrer Elterngeneration für Rock’n’Roll und freie Liebe aufbegehrten und sich heute wohl nicht mehr daran erinnern können oder wollen, verleiht diesem Konflikt zwischen Jung und Alt eine tragische Ironie.

Eine ähnliche Unbedarftheit zeigt die Politik auch im Umgang mit dem Internet. Unser ehemaliger Bundeswirtschafts- und Technologieminister Michael Glos erzählte von „Leuten, die das Internet für mich bedienen“. Und genauso wird auch Politik mit dem Internet gemacht. Man bekommt nicht den Eindruck, dass diese Leute tatsächlich selbst wüssten, wovon sie reden. Die Junge Union fordert nun mit Rückendeckung der Parteiführung, vor die Registrierung bei Videoseiten wie Youtube eine Ausweisüberprüfung zu stellen, und erweckt in ihrer Begründung den Eindruck, als wenn Youtube ein riesiges Reservoir an Gewaltvideos mit dem einzigen Zweck wäre, sich zu Straftaten zu verabreden. Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage ist ähnlich zweifelhaft wie das Gerücht, dass sich viele Jungen im Teenageralter zum Gruppenmasturbieren träfen.

Auch die äußerst fruchtbare Ursula von der Leyen ist zu einem beträchtlichen Teil für die Skepsis der Jugendlichen verantwortlich. Mit ihrer Sperre von Internetseiten wollte sie vorgeblich die Verbreitung von Kinderpornographie behindern, doch Experten bezweifeln nahezu alle Aussagen des Familienministeriums, mit denen diese Sperren gerechtfertigt werden sollen. Von der technischen Wirksamkeit über die fragwürdige Behauptung über eine Kinderpornoindustrie im Netz bis zu der verfassungsrechtlich bedenklichen Aufstellung einer staatlichen Sperrliste für Webseiten ohne Möglichkeit einer unabhängigen Kontrolle: Alle Bedenken werden – teilweise mit persönlichen Angriffen – beiseite gewischt, ohne auf diese Fragen inhaltlich einzugehen. Diese Art des Umgangs mit Kritik und das beharrliche Ignorieren der Expertenmeinungen wirken vermutlich selbst auf Jugendliche erschreckend kindisch – erschreckend nicht zuletzt deswegen, weil die Auswirkungen derartiger Regelungen auf die demokratischen Freiheitsrechte das zukünftige Leben der jungen Menschen in diesem Land beeinflussen. Es geht um ihre Zukunft, doch gestalten dürfen sie sie noch nicht selbst. Dass es nebenbei auch um die Zukunft unseres Landes geht und die Politik eigentlich alles tun sollte, um die Möglichkeiten neuer Medien auszuschöpfen und uns eine faire Chance im internationalen Wettbewerb zu sichern, anstatt ihnen mit Argwohn und Angst zu begegnen, scheint im verkrusteten Denken der Mandatsträger ebenfalls keinen Platz zu haben.

Die Sperre von Internetseiten gehört zu einer langen Reihe von Gesetzesvorhaben, die die Abwehrrechte der Bürger dem Staat gegenüber aushöhlen, insbesondere das Recht der Bürger, den Staat nicht alles wissen zu lassen. Die Speicherung von Verbindungsdaten von Handys und Internetanschlüssen und die Möglichkeit der heimlichen Durchsuchung von PCs durch das Bundeskriminalamt interessieren viele ältere Mitbürger nicht – für sie haben Computer und das Internet tendenziell eher wenig Einzug in ihr Privatleben gehalten. Für die junge Generation der unter 30-Jährigen sieht das ganz anders aus: Das Internet ist ein zentrales Kommunikationsmedium, der PC ein Gerät, in dem man persönliche Gedanken, Fotos und Videos abspeichert. Der Schutz der neuen Technologien vor dem Zugriff des Staates ist für Menschen, die mit diesen Medien aufgewachsen sind, ebenso wichtig für den Erhalt der Privatsphäre wie das Postgeheimnis oder die Unverletzlichkeit der Wohnung.

Das Vertrauen in die Politiker wird weiterhin geschädigt durch den Umgang mit dem Bundesverfassungsgericht, welches immer wieder offen verfassungswidrige Gesetzesvorhaben einkassiert. Als die Karlsruher Richter den Wunsch des Innenministers zunichte machten, entführte Flugzeuge abschießen zu dürfen, und dabei Artikel 1 des Grundgesetzes zitierten, reagierte Wolfgang Schäuble äußerst verschnupft, sprach dem Gericht die Kompetenz ab und kündigte sogar an, die Verfassung notfalls zu ändern – obwohl ihm als Verfassungsminister klar sein sollte, dass Artikel 1 unseres Grundgesetzes eine Ewigkeitsgarantie genießt und überhaupt nicht geändert werden darf. Heutige Jugendliche sind zu jung, um sich an die Verwicklung Schäubles im CDU-Spendenskandal erinnern zu können, aber mit seinem heutigen Verhalten stellt er sich ebenfalls nicht als gesetzestreuer Amtsträger mit ausgeprägtem Pflichtbewusstsein dar, sondern vielmehr als jemand, der dem Staat die Möglichkeit einräumen möchte, zum Wohle des Volkes unschuldige Bürger zu töten.

Und auch Koalitionspartner kommen in der öffentlichen Meinung der Jugendlichen und der meisten Twens nicht gut weg, insbesondere wenn sie wie die SPD bei umstrittenen Gesetzesvorlagen zunächst ihren Widerstand ankündigen und nach wenigen Wochen „mit Bauchschmerzen“ doch zustimmen. Die Ideale zu verraten, für die man angeblich einstehen wollte, sollte eigentlich bei jedem Menschen für Abscheu sorgen.

Nun sollte klar sein, warum die junge Generation nichts von unseren Politikern hält. Die Politiker trauen Jugendlichen nichts zu und verunglimpfen deren Freizeitbeschäftigungen, sie hören nicht auf Leute, die es besser wissen, und sie halten sich nicht an die wichtigsten Gesetze oder an moralische Prinzipien. Man weiß manchmal nicht, ob sie wirklich ahnungslos sind oder einfach nur lügen, um Unsinn anzustellen. Meine Mutter hat mir beigebracht, mit solchen Leuten nicht zu verkehren. Ich glaube, der Jugend geht’s genauso.

Scheinwissen - Stolz, Selbstreflexion - Resignation
11.05.2009 21:42
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mb
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Beiträge: 5.054
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Beitrag #2
RE: Die Lüge von der Politikverdrossenheit
Politiker haben ja verständlicherweise keine Ahnung von den Trivialitäten der gesetzlichen Krankenversicherung, Rentenversicherung, etc; und natürlich auch nicht von Kindern oder gar Jugendlichen. Wie auch? Wenn überhaupt wird ein Politiker erst in sehr reifem Alter und in x-ter Ehe noch Vater, wenn überhaupt. Man(n) ist halt doch sehr eingespannt in die Karriere.

Ursula ist die Ausnahme die die Regel bestätigt. Cool

Gruß
Michael

Zitat:EU-Wirtschaft- und Währungskommissar Joaquin Almunia hat alle Besorgnisse über den Schuldnerstatus Griechenlands als unbegründet zurückgewiesen.
11.05.2009 21:56
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StefanD
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Registriert seit: Mar 2009
Beitrag #3
RE: Die Lüge von der Politikverdrossenheit
Sollte wer nur auf die ernsthafte Idee kommen, Art. 1 GG zu ändern, marschieren hier sofort wieder die Siegermächte ein und der Status der BRD/DDR wird wieder auf den von 1945 - 1955 gesetzt: Besetztes Gebiet.

Aber im Ernst: Ich vermisse schon irgendwie die Bonner Republik, da war Politik noch greifbarer, nicht so weit weg vom Volk. Seit der Bonner Republik ist das alles so weit weg, so abgehoben, ... machtbesessen. Und wenn ich die Situation mal auf die Landespolitik runterbreche und an die letzte(n) Hessenwahl(en) zurück denke wird mir richtig bäh (ganz egal ob durch Koch oder Ypsilanti) oder man schaue sich Wowereit's Arroganz in Berlin an, die er in letzter Zeit an den Tag legt. Ich brauch 'nen Spuckeimer!

Ein Beispiel, was mir vor allem seit meinem Januar-Lohnstreifen allmonatlich vor Augen geführt wird: Die Gesundheitsreform. Ich sehe noch das Bild vor mir, Merkel, Stoiber und Beck bei der Verkündung der Ergebnisse über diese: Es wird keine Beitragserhöhungen geben tönten damals alle wie im Chor, die Gesundheitsversorgung wird sich verbessern. Aber was ist? Täglich laufen bei mir auf Arbeit (Rettungsstelle) Patienten auf die klagen, sie seien vom niedergelassenen Arzt abgewiesen worden, weil er schon zu viele Patienten habe (Anmerkung: Hat ein niedergelassener Arzt zu viele gesetzlich versicherte Patienten, darf er die Behandlung derer, die zu viel sind aus eigener Tasche bezahlen). Also kommt man in die Rettungsstelle (weil man ja auch keine Lust hat mit Schmerzen auf einen Termin im nächsten Quartal zu warten). Ist ja nicht so, dass eine Notfallbehandlung den Krankenkassen teurer kommt ...

WO IST DER SPUCKEIMER?????

Hochachtungsvoll
StefanD

Anglizismen sind out
11.05.2009 23:57
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Auge
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Beitrag #4
RE: Die Lüge von der Politikverdrossenheit
(11.05.2009 23:57)StefanD schrieb:  Aber im Ernst: Ich vermisse schon irgendwie die Bonner Republik, da war Politik noch greifbarer, nicht so weit weg vom Volk. Seit der Bonner Republik ist das alles so weit weg, so abgehoben, ... machtbesessen.
In den neun Jahren, in denen ich die "Bonner Republik" erleben durfte, fühlte ich mich keineswegs besser regiert, als heute in der "Berliner Republik". Das war damals auch nur genauso weit weg wie heute, wo das Theater nur wenige Kilometer von meinen Wohnsitz entfernt stattfindet.

(11.05.2009 23:57)StefanD schrieb:  ... Täglich laufen bei mir auf Arbeit (Rettungsstelle) Patienten auf die klagen, sie seien vom niedergelassenen Arzt abgewiesen worden, weil er schon zu viele Patienten habe (Anmerkung: Hat ein niedergelassener Arzt zu viele gesetzlich versicherte Patienten, darf er die Behandlung derer, die zu viel sind aus eigener Tasche bezahlen). Also kommt man in die Rettungsstelle (weil man ja auch keine Lust hat mit Schmerzen auf einen Termin im nächsten Quartal zu warten). Ist ja nicht so, dass eine Notfallbehandlung den Krankenkassen teurer kommt ...
"Spare mit jedem Pfennig, egal, was es kostet!", so hieß es in der DDR. Das Gesundheitssystem war aber in den letzten Jahren keineswegs besser als heute. Acht Stunden Wartezeit in der Rettungsstelle gab es vor drei Jahren auch schon. Gestern (ich als Begleiter) waren es nur sechseinhalb Stunden, welch ein Fortschritt.

Um auf das Eröffnungsposting zurückzukommen, es ist wahr, dass es "die Politikverdrossenheit" nicht gibt. Weder bei Jugendlichen, noch bei älteren Menschen. Natürlich gibt es Menschen jeglichen Alters, die sich der politischen Themen nicht annehmen wollen, aber bei den meisten der der Politikikverdrossenheit Gescholtenen handelt es sich um Parteienverdrossenheit. Die sind mit ihrem Geseier so dermaßen neben den Themen, die das tägliche Leben der Menschen bestimmen, dass sich viele von den Parteien nicht vertreten fühlen. Dass das bei nachwachsenden Generationen stärker ist, als bei älteren, die teilweise aus Tradition die eine oder andere Partei unterstützen, weil das schon immer so war und das, egal, ob die postulierten Schwerpunkte und Lösungen auch die eigenen sind, ist mMn natürlich.

Solange das in den Parteien nicht wahrgenommen wird, müssen die sich nicht wundern, dass die Wahlbeteiligung niedrig ist, dass sich kaum noch jemand in den Parteien engagiert, etc. pp.. Aber genau deshalb sucht sich das Engagement andere Wege, ob das nun NGOs sind oder Zweckbündnisse auf Zeit, die sich eines konkreten Themas widmen (wie z.B. die Verfassungsklage gegen die Vorratsdatenspeicherung oder die Petition gegen die Errichtung einer Zensurinfrastruktur (um mal aktuelle Themen anzusprechen)). Und das ist auch gut so!

Tschö, Auge

My Little Forum 1, Forum und Board in PHP
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 12.05.2009 15:19 von Auge.)
12.05.2009 15:18
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DonRazzi
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Beitrag #5
RE: Die Lüge von der Politikverdrossenheit
Parteienverdrossenheit ist das richtige Wort. Mir schwant schon wieder Übles, wenn ich an die nächste Bundestagswahl denke. Grüne und FDP haben gewisse Koalitionen ausgeschlossen. Ich kann das verstehen, sofern es um den Ausschluss einer Koalition mit Parteien der genau entgegengesetzten politischen Richtung geht. FDP und Linke ist also ein No-Go. Aber Ampelkoalition und Jamaica ausschliessen? Von vornherein? Das ist ehrlich gesagt nicht das, was ich von demokratischen Parteien erwarte, nicht in einem Mehrparteiensystem europäischen Zuschnitts.

Ehrlich gesagt, mit dem Erstarken der Linken ist etwas passiert, das ich mir schon sehr lange für Deutschland gewünscht habe, nämlich der Aufbruch des de-facto Zwei-Parteien-Systems. Leider ist dieser Aufbruch nicht aus der bürgerlichen Mitte entstanden, wie ich erhofft hatte, sondern links aussen, in einer Partei des Zauderns und Jammerns. Aber dennoch: Es ist Zeit, daß sich das politische System in Deutschland an die modernen Lebenswelten anpasst, die vielschichtiger geworden sind. Durch eine bestimmte Partei repräsentiert fühlen sich die meisten Deutschen wohl nicht mehr...

Grüße,

Don (SPD-Mitglied) Razzi
12.05.2009 21:20
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mb
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Registriert seit: Mar 2005
Beitrag #6
RE: Die Lüge von der Politikverdrossenheit
DonRazzi schrieb:[...]
Don (SPD-Mitglied) Razzi

Seit Schröder sollten doch alle ehemaligen SPD-Wähler ein für allemal geheilt sein?

Gruß
Michael

Zitat:EU-Wirtschaft- und Währungskommissar Joaquin Almunia hat alle Besorgnisse über den Schuldnerstatus Griechenlands als unbegründet zurückgewiesen.
12.05.2009 21:35
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RK
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Registriert seit: Jan 2004
Beitrag #7
RE: Die Lüge von der Politikverdrossenheit
(12.05.2009 21:20)DonRazzi schrieb:  Parteienverdrossenheit ist das richtige Wort. Mir schwant schon wieder Übles, wenn ich an die nächste Bundestagswahl denke. Grüne und FDP haben gewisse Koalitionen ausgeschlossen. Ich kann das verstehen, sofern es um den Ausschluss einer Koalition mit Parteien der genau entgegengesetzten politischen Richtung geht. FDP und Linke ist also ein No-Go. Aber Ampelkoalition und Jamaica ausschliessen? Von vornherein? Das ist ehrlich gesagt nicht das, was ich von demokratischen Parteien erwarte, nicht in einem Mehrparteiensystem europäischen Zuschnitts.

Ehrlich gesagt, mit dem Erstarken der Linken ist etwas passiert, das ich mir schon sehr lange für Deutschland gewünscht habe, nämlich der Aufbruch des de-facto Zwei-Parteien-Systems. Leider ist dieser Aufbruch nicht aus der bürgerlichen Mitte entstanden, wie ich erhofft hatte, sondern links aussen, in einer Partei des Zauderns und Jammerns. Aber dennoch: Es ist Zeit, daß sich das politische System in Deutschland an die modernen Lebenswelten anpasst, die vielschichtiger geworden sind. Durch eine bestimmte Partei repräsentiert fühlen sich die meisten Deutschen wohl nicht mehr...

Grüße,

Don (SPD-Mitglied) Razzi

SPD und CDU haben ganz klar das "Eisverkäufer-am-Strand-Problem". Wenn sich nun einer bewegt, verliert er.
Darum werden die Extrema natürlich benachteiligt und von dort kommt nun frischer Wind.

Alternative Straßenbahnschienen | Deutsches Straßenfahrzeugset
12.05.2009 21:45
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DonRazzi
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Beiträge: 704
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Beitrag #8
RE: Die Lüge von der Politikverdrossenheit
Ach, mb, wenn man wenigstens noch einen wie den Schröder hätte! Der konnte wenigstens noch polarisieren. Von einem neuen Schmidt oder Brandt wage ich gar nicht mehr zu träumen...

Und RK: Bezeichne mich - frei nach Augstein - als im Zweifelsfall links. Das bedeutet, daß ich mitunter sogar mal Richtung FDP schiele, was die denn so treiben, denn in manchen wirtschaftlichen und bürgerrechtlichen Themen schiessen die nicht so aus der Hüfte wie die Sozen. Die CDU ist aber für mich völlig indiskutabel auf Grund ihres politischen Gebarens und ihres Selbstverständnisses: Man versucht, andern Leuten das eigene Weltbild aufzuoktroyieren, ohne ansatzweise einmal darüber nachzudenken, warum der andere denn ein anderes Leben führt, als daß es in das Weltbild paßt. Mich stört in dieser Partei vor allem das C. Man kann das ganz gut am Beispiel Familie festmachen. In den C-Parteien wird propagiert, daß man doch gefälligst dem alten Familienbild M-V-K zu entsprechen habe. Daher keine Ganztagsschulen, keine Kinderkrippen etc. Konservative vergessen dabei nur all zu gerne, daß eine Doppelverdiener-Familie oder eine alleinerziehende Mutter es sich in aller Regel nicht ausgesucht haben, wie sie ihr Leben bewerkstelligen.

In diesem Sinne,

DonRazzi
12.05.2009 23:15
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mb
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Registriert seit: Mar 2005
Beitrag #9
RE: Die Lüge von der Politikverdrossenheit
Als überzeugter Nicht-Wähler hatte ich mich natürlich längst geoutet:

mb in defbm schrieb:[...]
Nicht-Wählen heisst, *nicht* akzeptieren dass die wichtigsten Entscheidungen gar
nicht zur Wahl stehen. Nicht-Wählen heisst sich zugeschobener formaler
Mitverantwortung für undemokratisch getroffene Entscheidungen zu verweigern.
Nicht-Wählen ist ein Zeichen politischer Reife und Integrität. Wer dagegen
"wählt", wählt überhaupt nichts sondern akzeptiert das was ist, und bekommt zum
Dank das was er *nicht* will.

http://groups.google.de/group/de.etc.fin...hor:blunck

So falsch klingt das selbst nach 7 Jahren nicht.

Die Fehlentwicklungen hierzulande haben sich sogar noch in ungeahnter Weise verschärft. Nur mal eben das Beispiel von heute morgen:

SPON schrieb:Merkel schließt Steuersenkungen vor 2012 aus

Die Bekämpfung der Krise kommt zuerst: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat für den Fall eines Wahlsiegs Steuersenkungen vor 2012 ausgeschlossen. Vorher müsse die Wirtschaft wieder in Schwung kommen, sagte die CDU-Chefin [...]

http://www.spiegel.de/politik/deutschlan...69,00.html

Das ist natürlich nackte Volksverarschung. Die letzte "Krise" liegt wie lange zurück? Genau, erst ein paar wenige Jahre, in denen genau die gleiche Begründung für Lohnverzicht und "notwendige" Steuererhöhungen geboten wurde. Vor einem Jahr noch jubelten Politiker und Wirtschaft über eine "florierende Wirtschaft", aber eine Beteiligung des steuerzahlenden Volks am (angeblich) erfolgten "Aufschwung" und seinen Früchten wurde überhaupt nicht in Betracht gezogen (groteskes "Versagen" der Gewerkschaften übrigens..).

Jetzt wiederholt sich alles, nur auf noch niedrigerem Niveau. Und es wird zum x-ten Mal mit dem Alzheimer des Wahlvolks kalkuliert? Ohne mich.

Gruß
Michael

Zitat:EU-Wirtschaft- und Währungskommissar Joaquin Almunia hat alle Besorgnisse über den Schuldnerstatus Griechenlands als unbegründet zurückgewiesen.
13.05.2009 08:53
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