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RE: Stuttgart21 - mb - 12.10.2010 08:53

Fenris schrieb:Hier gibts übrigens noch einen interessanten Artikel, der neben der bahntechnischen Seite auch weitere Hintergründe beleuchtet: [...]

Guter Artikel. Ist zwar alles schon bekannt, aber hier lesbar und kompakt zusammengefasst. Insbesondere die Darstellung der "Verfilzung" von Politik, Wirtschaft und Medien (inkl weiterführender links), die in anderen Zusammenhängen gerne als "Verschwörungstheorie" abgetan wird, findet man sonstwo nicht so leicht.

BTW:

mb schrieb:
menenor schrieb:[Geschäftsgebaren der DB bzw der Bundesbahn bei ihren Grossprojekten]

[..] Das ist ganz normales Vorgehen bei Bauvorhaben von Hinz und Kunz, an denen in irgendeiner entfernten Weise Bund, Länder oder Gemeinden beteiligt sind.

Zugegeben. Die Bahn hat diesbzgl aber eine gewisse Meisterschaft entwickelt.

Spiegelfechter schrieb:Die Bundesbahn behandelt die wirtschaftlichen Planungen wie Staatsgeheimnisse. Kein Journalist, ja noch nicht einmal Mitglieder des Verkehrsausschusses des Bundestags haben Einblick in diese Papiere – für ein Unternehmen, dass zu 100% dem Bund gehört, und das für S21 etliche Milliarden aus den Staatskassen beziehen will, ist dies schon ein einmaliges Gebaren.

Siehe dazu auch SPON von gestern:

SPON schrieb:Doch schon im Verlauf des Jahres ermittelte die Bahn tatsächliche Baukosten von 4,9 Milliarden Euro. Es wäre das sichere Aus für Stuttgart 21 gewesen, nachdem die Landesregierung 4,5 Milliarden Euro als Obergrenze des Mammutprojekts definiert hatte. Also ließ Bahn-Chef Rüdiger Grube seine treuesten Leute noch einmal nachrechnen. Sie wurden fündig - und kalkulierten die Kosten auf 4,0878 Milliarden herunter.

SPON schrieb:Auf Basis einer "Markt- und Vergabeanalyse", bei der die Stuttgarter Pläne mit anderen Tunnelbauten des Konzerns abgeglichen wurden, dürfe man beispielsweise 598 Millionen Euro herausstreichen. Weitere 294 Millionen an Einsparungsmöglichkeiten hat die Bahn bei der "Optimierung der Bauwerke" identifiziert. Ein "geringerer als angenommener Quelldruck" in den unterirdischen Streckenteilen habe zudem "Auswirkung auf die benötigte Stahlmenge in den betroffenen Tunnelbauwerken". Das heißt: Deren Wände könnten einfach dünner gebaut werden.

SPON schrieb:Schönheitsfehler: Die Sparvorschläge existieren nur auf dem Papier.

Zum einen wurden sie "ohne vertiefte Planung abgeschätzt", wie die Bahn in der Auflistung einräumt. Zum anderen sind "zur Realisierung dieser Punkte zum Teil die Zustimmung des Eisenbahnbundesamtes, der Architekten, der Projektplaner, der Bauherren und Gutachter notwendig".

Soll heißen: Für keine der Änderungen ist bislang eine Genehmigung erteilt worden. Auf Nachfrage musste die Bahn vergangenen Donnerstag gar erklären, dass entsprechende Anträge, etwa beim Eisenbahnbundesamt, überhaupt noch nicht gestellt wurden.

SPON schrieb:"Der Aufsichtsrat der Bahn hätte diesen Kalkulationen niemals zustimmen dürfen, ohne Belege dafür einzufordern", sagt der Grünen-Politiker Winfried Hermann. [Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Deutschen Bundestag, mb]


Nachdem nun also die technischen und verkehrswirtschaftlichen Nachteile des Projekts immer mehr zu Tage treten, ziehen sich die Befürworter offensichtlich auf eine Meta-Ebene zurück, indem sie Ziele wie "Zuverlässigkeit", "Rechtssicherheit", "Zukunftsfähigkeit" für ihr Projekt bemühen, und - andererseits - den Projektgegnern "unsoziale" Tugenden wie "Bequemlichkeit", "Verwöhntsein", "Egoismus" vorwerfen.

Albrecht Müller hat diese Strategien auf den NachdenkSeiten genauer seziert:
http://www.nachdenkseiten.de/?p=7013#more-7013

Gruß
Michael


RE: Stuttgart21 - mb - 13.10.2010 11:17

Oha! Erste Auswirkung des massiven Unmuts über Stuttgart21 und die Bahn ist vermutlich dass die DB zum ersten Mal seit 8 Jahren die Fahrpreise im Fernverkehr zum Fahrplanwechsel nicht erhöhen will?

Dafür aber im Nah- und Regionalverkehr. Aber dort wird den Fahrgästen ja auch heute schon was geboten (günstige Preise und übersichtliche Tarife, pünktliche und saubere Züge, gute Taktung und passende Anschlussmöglichkeiten, freundliches Personal und funktionale Bahnhöfe, ...). Cool

Gruß
Michael


RE: Stuttgart21 - pETe! - 13.10.2010 13:51

Zitat:Dafür aber im Nah- und Regionalverkehr. Aber dort wird den Fahrgästen ja auch heute schon was geboten (günstige Preise und übersichtliche Tarife, pünktliche und saubere Züge, gute Taktung und passende Anschlussmöglichkeiten, freundliches Personal und funktionale Bahnhöfe, ...).
Hmm, hab ich was verpasst?
Günstige Preise: Sicher nicht. So manches Verbundticket ist einfach unverschämt teuer.
Übersichtliche Tarife: Sicher nicht. Gerade in bereichen, wo es Verkehrsverbünde gibt, ist es nicht immer einfach, das günstigste Ticket zu bekommen. Dazu kommen noch zig Sparangebote parallel zum bestehenden Preissystem (Länderticket, Hopperticket, Wochenendticket, Quer-durchs-Land-Ticket...), was ich persönlich jetzt nicht schlimm finde, das größere Problem ist das durcheinander in Verbünden. Ich verstehe auch nicht, warum man nicht einfach im Verkehrsverbund den normalen Bahntarif verkaufen kann, "mit ohne" ÖStPNV vor Ort. Allein der Unterschied, dass jenes eben nicht geht, macht das Preissystem schon ziemlich intransparent. Ist ja irgendwie komisch, wenn ich für eine längere Strecke weniger bezahle, als für eine kürzere, wa?

Einzig die gute Taktung und die passenden Anschlussmöglichkeiten mögen vielerorts gegeben sein, aber da kenne ich auch Negativbeispiele.
Freundliches Personal gibt es auch nur bei den Wettbewerbern der DB, im Nahverkehr sind viele Zugbegleiter (nicht alle) oft tierisch unfreundlich und unkulant. Im FV ist das anders.


RE: Stuttgart21 - planetmaker - 13.10.2010 14:29

(13.10.2010 13:51)pETe! schrieb:  Günstige Preise: Sicher nicht. So manches Verbundticket ist einfach unverschämt teuer. (...)
Du solltest Deinen Sarkasmus-Detektor 'mal auf Funktionsfähigkeit prüfen.


RE: Stuttgart21 - menenor - 13.10.2010 15:16

großes Grinsen Sollte er.

Allerdings finde ich, dass Michael bei seiner Beschreibung der aktuellen Nahverkehrs-Situation ziemlich verallgemeinert. Man sollte beim Nahverkehr nicht vergessen, dass nichts geht, ohne den Willen der Länder und Kommunen.
Um nicht einfach eine Behauptung in den Raum zu werden, möchte ich als Beispiel den Raum Dresden nennen, nicht nur der Stadtraum, sondern alles, was zur ehem. RBD Dresden gehört. Tatsächlich muss ich sagen, dass das Nahverkehrsangebot der Deutschen Bahn sich hier durch aus sehen lassen kann, was die Qualität angeht. In der Quantität werden scharfe Grenzen durch sinkende Zuschüsse des Landes Sachsen gesetzt. (Beziehungsweise enger gezogen, denn Schwarz-Gelb spart dort, wo man immer sparen sollte: am ÖPNV und an der Bildung.)

Gruß
Michael Zwinkern


RE: Stuttgart21 - DonRazzi - 13.10.2010 21:52

Ja, gerade beim Nahverkehr kommt es sehr genau darauf an, wo man hin guckt. Es ist zwar richtig, dass der in der Fläche seit dem 2. Weltkrieg drastisch abgenommen hat, allerdings ist er auf den bestehenden Strecken vielerorts qualitativ deutlich besser geworden und bietet heute moderne Fahrzeuge und höhere Taktraten. Alle Bahnen zusammengenommen haben jedenfalls in den letzten zwei Jahrzehnten im Nahverkehr einen deutlichen Fahrgastanstieg zu verzeichnen.

Ich kenne die Strecken im westlichen Niedersachsen eigentlich ziemlich gut, an denen läßt sich sehr schön demonstrieren, was ich meine:

Die Verbindungen Bremen/Oldenburg-Osnabrück standen etwa jahrzehntelang auf der Abschussliste der Bundesbahn und die Streckenstillegung wurde beinahe jährlich diskutiert. Mit der Privatisierung und Ausschreibung ging die Strecke an die Weser-Ems-Bahn. Das Land konnte so die Gelder wesentlich gezielter einsetzen. Die Bahn hat auf diesen Strecken mit Taktfahrplan und modernen Fahrzeugen erheblich an Zuspruch gewonnen.

Ähnliches ist auf den Hauptbahnen passiert. Diese wurden noch Mitte der 90er mit Silberlingen bedient, später immerhin mit sanierten Fahrzeugen. Wirklich gut wurde es allerdings erst mit dem flächendeckenden Einsatz von DoStos womit dann die chronisch überfüllten Züge auf den entsprechenden Destianationen der Vergangenheit angehörten.

Natürlich gibt es auch andere Beispiele: Das Sulinger Kreuz etwa hat diese Renaissance des Bahnverkehrs nicht mehr miterleben dürfen - dabei waren die Verhälnisse auf dieser Strecke zwischen Bremen und Bielefeld durchaus vergleichbar mit der Strecke Bremen-Delmenhorst-Osnabrück: Nur noch zwei Eilzugpaare am Tag auf der Strecke - und damit für Pendler völlig unbrauchbar.

In diesem Sinne,

Don


RE: Stuttgart21 - mb - 13.10.2010 22:15

DonRazzi schrieb:Mit der Privatisierung [...]

sic!

NWB übernimmt übrigens 2011 im "westlichen Niedersachsen" noch mehr Strecken von der DB, damit hat die jahrzehntelange Abrüstungspolitik des seltsamen Zwitters hoffentlich/vermutlich ein Ende.

Gruß
Michael


RE: Stuttgart21 - RK - 13.10.2010 22:17

Dagegen sieht die Situation an Rhein-Ruhr desaströs aus. Eine Taktung gibt es quasi nicht. Die aktuelle Infrastruktur ist völlig überlastet und der Fahrplan pfeift sozusagen aus dem letzten Loch. Wenn irgendwo etwas schief läuft, dann kommt sofort der ganze Fahrplan durcheinander. Das Ende vom Lied ist, dass man sich an Verspätungen gewöhnen muss und nicht mehr an die Haltestelle kommt, um mal eben den Zug zu erwischen, sondern einfach zur Haltetestelle geht und auf den Zug wartet, solange es eben dauert. Es ist schlichtweg unkalkulierbar.

Eine Besserung ist in diesem Jahrzehnt nicht mehr zu erwarten, da alle Finanzmittel des RRX zugunsten von S21 aufgebraucht wurden.


RE: Stuttgart21 - mb - 14.10.2010 08:21

Weiss eigentlich jemand dass es auch Planungen für Frankfurt21 und München21 gab? Alle nach demselben Strickmuster?

Gruß
Michael


RE: Stuttgart21 - fairsein - 14.10.2010 20:03

Aber bei München ist das glaub ich noch anders gelagert, da es ja schon eine unterirdische S-Bahn gibt. Ich glaube in Frankfurt auch, oda?


RE: Stuttgart21 - menenor - 14.10.2010 20:13

Jupp. Der S-Bahnhof Frankfurt/Main ist unterirdisch.


RE: Stuttgart21 - Baerchen - 22.10.2010 21:54

(14.10.2010 20:13)menenor schrieb:  Jupp. Der S-Bahnhof Frankfurt/Main ist unterirdisch.

Hab ich da was falsch in Erinnerung, der in Stuttgart doch auch?

Übrigens auch in Hamburg-Altona Zunge


RE: Stuttgart21 - mb - 22.10.2010 22:54

Auf Phönix werden diese Pseudo-Schlichtungsgespräche übrigens live übertragen. Heute zur Kaffeepause habe ich mir das mal angesehen und ich bin wirklich entsetzt über die Unprofessionalität der Befürworter und ihrer Gutachter. Unfassbar, nach 15 Jahren Planung!

Gruß
Michael


RE: Stuttgart21 - Baerchen - 23.10.2010 10:07

(22.10.2010 22:54)mb schrieb:  Auf Phönix werden diese Pseudo-Schlichtungsgespräche übrigens live übertragen. Heute zur Kaffeepause habe ich mir das mal angesehen und ich bin wirklich entsetzt über die Unprofessionalität der Befürworter und ihrer Gutachter. Unfassbar, nach 15 Jahren Planung!

Ja mach nur einen Plan, sei nur ein großes Licht,
und mach dann noch nen zweiten Plan,
gehn tun se beide nicht!

Der gute Bert Brecht hat doch nicht ganz unrecht gehabt.


RE: Stuttgart21 - Maschine - 27.10.2010 13:53

(22.10.2010 22:54)mb schrieb:  Auf Phönix werden diese Pseudo-Schlichtungsgespräche übrigens live übertragen. Heute zur Kaffeepause habe ich mir das mal angesehen und ich bin wirklich entsetzt über die Unprofessionalität der Befürworter und ihrer Gutachter. Unfassbar, nach 15 Jahren Planung!

Gruß
Michael

Das mit den 15 Jahren ist schon der Hammer. Wird ja immer davon gesprochen dass es schon seit 15 Jahren um das Projekt geht.

Ich bin der Meinung, bei dem Schlichtungsgespräch gehört zu haben, dass dort von mehr als 15 Jahren mal die Rede war (aussage Seitens der Bahn).

Grüße Maschine



Edit: Rechtschreibung


RE: Stuttgart21 - Eddi - 27.10.2010 14:13

Meine Information war, daß 1994 die Idee für das Projekt aufgekommen ist.


RE: Stuttgart21 - mb - 14.04.2011 21:18

Bekanntlich ist nach der Wahl ja vor der Wahl. Interessant aber vor allem welch hohe Hürden hierzulande vorsorglich gegen "Volksentscheide", "Volksbegehren" und sonstiges direktdemokratisches Teufelszeug in Verfassungen eingebaut und von der ständigen Rechtsprechung aufgebaut worden sind.

- Laut dem von den Grünen im letzten Jahr in Auftrag gegebenen Gutachten des Verfassungsrechtlers Hans Meyer handelt es sich bei S21 um eine verfassungswidrige Mischfinanzierung. Über derartige Verträge eben keine Volksentscheide möglich sind.

- Da vermutlich die damals eingezogene Obergrenze der Baukosten von 4,5 Mrd Euro nicht ausreichen wird, müsste ausserdem über eine Fortschreibung der Finanzierung abgestimmt werden, und nicht über einen Ausstieg. Unklar ist was bei einem negativen Ausgang eines Volksentscheides über eine Kostenaufstockung geschehen soll/wird.

- In BaWü existiert zudem ein extrem hohes "Quorum" für Volksentscheide. Innerhalb von 14 Tagen müssen dafür 1,25 Mio Stimmen zusammen kommen, und zu einer Absenkung der erforderlichen Stimmenzahl bedürfte es einer 2/3-Mehrheit im Landtag.

Gruß
Michael


RE: Stuttgart21 - Fenris - 14.04.2011 21:40

(14.04.2011 21:18)mb schrieb:  - Laut dem von den Grünen im letzten Jahr in Auftrag gegebenen Gutachten des Verfassungsrechtlers Hans Meyer handelt es sich bei S21 um eine verfassungswidrige Mischfinanzierung. Über derartige Verträge eben keine Volksentscheide möglich sind.

Wozu auch? Es ist ja verfassungswidrig, also braucht es von vornherein keine Abstimmung. Da die Bezahlung so wie geplant nicht funktionieren kann (darf), kann es ja gar nicht gebaut werden. Welche Firma arbeitet schon umsonst? Aber irgendwie scheine ich "verfassungswidrig" anders zu definieren als die Politker.


RE: Stuttgart21 - Gleisdreieck - 14.04.2011 21:46

Es wurde ja vor der Wahl eine Volksbefragung versprochen, ich bin mal gespannt, wann die erfolgen wird. Und was man dann mit dem Ergebnis anfängt.


RE: Stuttgart21 - StefanD - 14.04.2011 21:49

Ist doch nichts neues, dass wir nicht in einer Demokratie, sondern in einer verfeinerten Diktatur leben. Mehr als den zu wählen, der uns verarscht steht uns nun mal nicht zu.

Trotzdem: Eine Volksabstimmung über S21 halte ich zwischenzeitlich für zu spät. Diese hätte vor 15 Jahren stattfinden müssen, und zwar mit der einfachen Frage "Soll der Bf. so und so mit diesen Auswirkungen umgebaut werden?". Die Fragestellung heute wäre tatsächlich zu komplex für eine schlichte Ja/Nein-Frage auf dem Abstimmungszettel (und das Ergbnis am Ende wahrscheinlich für zu teuer).